Probleme in der Blechblasmusikszene
Die Herstellung von Mundstücken war seit den späten 1960er Jahren lange Zeit Hobby meines Großvaters, Karl Breslmair Senior, und ab 1985 eine Herausforderung für meinen Vater Karl Breslmair, der kein Techniker war. Es waren die Leidenschaft und der Ehrgeiz, außergewöhnliche Produkte zu fertigen, die geeignet waren, den Anforderungen großer Künstler zu genügen. Die Anerkennung aus der Musikszene folgte auf dem Fuße und immer wieder wurden meine Vorgänger mit Ideen in Form von Aufträgen konfrontiert, die Neuland zu betreten hieß.
Noch als „Seiberdorfer“ Mundstücke wurden die Produkte meines Großvaters zuerst in Wien und zunehmend auch international bekannt. Über die klassische Orchesterszene hinaus fanden unsere Mundstücke auch Einzug in der traditionellen volkstümlichen Blasmusik sowie in der hochstehenden österreichischen Militärmusik. Wer auch nur geringfügig Einblick in die Blechblasmusikszene hat weiß ob der Probleme, die diese Instrumentengattung zu bewältigen hat. Dünnes Blech mit oft voluminösen Umfängen (Tuba), wenig geschützt in unpassenden Taschen und Koffern. Gespielt wird bei jedem Anlass, ungeachtet von Wind, Wetter und Jahreszeit. Haben die Musikerpartien ländlicher Kapellen das Privileg der Ungezwungenheit, unterliegen Militärkapellen dem Gebot des Gehorsams und dem Zwang des Exerzierens nach strengen Ritualen. Da bleibt kein Freiraum, um das Mundstück im Hosensack auf Körpertemperatur zu erwärmen: Aus der Habt Acht-Stellung wird angesetzt und gespielt. Der Albtraum jedes Blechbläsers. Derartige Mängel und Unzulänglichkeiten waren gefürchtet, konnten aber nicht gelöst werden. Sie drangen auch zu meinem Großvater durch, der sich darüber Gedanken machte. Holz war naheliegend, dieses war im Überfluss aus seinem Geigenbau vorhanden. Holz quillt auf, bleibt nicht glatt, bricht, wenn es auf zu dünne Dimensionen gebracht wird. Lauter naheliegende Tatsachen, die Karl Breslmair auch mit seinen Forscherkollegen in Seibersdorf diskutierte. Das Ergebnis aus deren Köpfen ergab das Patent „Polymerholz“, das viele Jahre hindurch mit den dort geschaffenen Anlagen hergestellt und auch verarbeitet wurde. Nachteil dieses sensationellen Werkstoffes waren die Länge und der Durchmesser der Rohteile. Die „Quelle“, so wurde der Teil der Anlage genannt in dem die Ionisation erfolgte, fasste nur Teile mit einer Länge von maximal 50 Zentimeter. In der modernen Technik werden standardisierte Längen und Durchmesser gefordert, die einer genormten Werkstückspannung gehorchen. Nachdem zu den zitierten Nachteilen auch noch die Nachfrage zu sinken begann, wurde es ruhig um das Polymerholz. Die Produktion dieses Materials wurde eingestellt, die „Quelle“ und andere Bestandteile wurden in einem Lager verstaut, wo sie noch heute stehen. Mein Vater erwarb zu Beginn der 1990er Jahre sämtliche Restbestände des Materials und wir können bei Bedarf noch Mundstücke daraus fertigen. Die Ansatzprobleme der Blechbläser waren mit diesem Material jedenfalls gelöst, zudem wurden Allergiker von der Qual durch Fieberblasen und Ausschlägen erlöst.
Forschung und Zufälle
Viele Probleme des täglichen Lebens können durch intensives Nachdenken gelöst werden. Ein wesentlicher Helfer zu jeder Zeit ist jedoch der Zufall, der dann zu Hilfe kommt, wenn die Logik in eine Sackgasse geführt hat.
Die im Blechblasinstrumentenbau zum Einsatz gelangender Materialien beschränken sich auf Buntmetall. Leicht zu zerspanen, biegsam, weich und hart zu löten, schnell auf Hochglanz zu polieren und überdies geeignet, um galvanisch oberflächenveredelt werden zu können. Der Zufall brachte meinen Vater mit Titan in Kontakt und er war besessen, der Breslmair KG das Alleinstellungsmerkmal auf die Fahnen zu heften, dieses außergewöhnliche Material zu beherrschen und im Mundstückbau erfolgreich einzusetzen.
Nicht Massenproduktion ist das angestrebte Ziel unseres Unternehmens, es sind die Besonderheiten, die unsere Firma bieten kann und so zum Magneten für Künstler wird. Der Einsatz von Titan bietet uns eine ganz besondere Plattform, uns als Innovator präsentieren zu können.
Von der Raumfahrt zum Mundstück
Schon der Name regt die Fantasie zu Höhenflügen an. Bekannt durch den Einsatz in der Raumfahrt, mit dem Prädikat der Unzerstörbarkeit und der Besonderheit, im menschlichen Körper keinerlei Reaktionen hervorzurufen. Naheliegend, dass man dieses außergewöhnliche Material für den Einsatz an der Schnittstelle zwischen Bläser (Lippe) und klingendem Instrument in Erwägung zieht. Wie zu Beginn des Artikels beschrieben, leidet die Bläserlippe immer unter niedrigen Temperaturen. Titan ist ein sehr schlechter Wärmeleiter, vermittelt der Lippe deshalb sofort den Eindruck von Wohlbefinden. Jedes Buntmetall muss oberflächenveredelt werden, um den aktuellen Hygienevorschriften gerecht zu werden. Das Mundstück wird dutzende Male pro Tag angesteckt und wieder aus dem Instrument herausgezogen. Es ist einer ständigen physischen Belastung ausgesetzt, unter der die Galvanisierung leidet. Das Mundstück fällt zu Boden, wird zusammen mit dem Schlüsselbund in die Hosentasche gesteckt oder in dafür vorgesehenen Taschen zusammen mit anderen Utensilien aufbewahrt. Nach kurzer Zeit beeinträchtigen Kratzer und kleine Dellen die vormals makellose Optik.
Der Rand ist ein exponierter Teil des Mundstückes und muss der Lippe eine perfekt blanke Oberfläche bieten. Ist diese in Mitleidenschaft gezogen leidet der Ansatz, das musikalische Ergebnis ist mangelhaft. Ist die Silberschicht, die normalerweise das Buntmetall überzieht, verletzt, kann der teilweise aggressive Speichel zu starker Erosion führen, die unschöne Kleinstlöcher verursacht. An diesen Stellen hat die Lippe aber Kontakt mit dem unedlen Buntmetall, das auch Blei und Zink enthält. Diese Unzulänglichkeiten des Standardmaterials sind für uns der Grund, Titan zum Einsatz zu bringen.
Fazit
Rein, edel, hygienisch, warm, unzerstörbar. In Verbindung mit unserem etablierten Modulsystem eine vorzügliche Möglichkeit, Passform mit Wohlbefinden und Zeitlosigkeit zu verbinden. Der Titanrand kann den Musiker ein Leben lang begleiten; die exzessive Verwendung wird dem Material keinen Schaden zufügen. Der Begriff „preiswert“ erhält eine neue Dimension.
Lukas Breslmair Produktion, Qualitätssicherung, Marketing